Der kürzlich veröffentlichte Beitrag über Verschwörungstheorien zeigte, auch in der anschließenden Community Diskussion, wie stark Verschwörungstheorien die gesamte Weltsicht beeinflussen können. Während man Verschwörungstheorien meistens noch recht leicht erkennen kann und ihre Strahlkraft in der Regel auf eine Minderheit beschränkt ist, wirkt Propaganda viel weitreichender und  heimlicher.

Unrühmlicher Einsatz von Propaganda in Deutschland

Im „dritten Reich“ glaubten viele, Juden seien schlechtere Menschen. Eine solche Haltung war verbreitet, obwohl sie weder vernünftig noch durch Erbanlagen angelegt ist. Im Gegenteil – Jede Herzensbildung und auch jedes natürliche Gefühl verbietet uns, andere Menschen nur aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Herkunft gegen ihren Willen in Lager zu stecken und zu töten.  Wie konnte also genau das passieren? Dieser Massenmord wurde sogar staatlich organisiert.

Die Menschenvernichtung geschah nicht etwa in einer kleinen Provinz oder zu einer Zeit, in der die Leute nicht lesen und schreiben konnten. Die Kultur, die dieses Verbrechen hervorbrachte, wird bis heute für Ihre Musik, für ihre Philosophie und für ihren Erfindergeist bewundert. Es war die Sprache Goethes, Luthers und Kants, in der die Tötungsbefehle diskutiert, beschlossen, weitergegeben und ausgeführt wurden.

Was war passiert? Hatten Juden Terroranschläge oder ähnliches verübt? Hatten sie ihrerseits hörbar gegen Christen oder Deutsche gehetzt? Nichts dergleichen. Ihr Todesurteil fällte der bereits vorhandene Antisemitismus, der Hass einer fanatischen politischen Gruppe und die Wirtschaftskrise. Aber der Antisemitismus hätte sich nie zu solch schrecklichem Ausmaß ausbreiten können ohne das Vollstreckungsmittel: Es bedurfte einer bestimmten Waffe, um eine ausreichende Menge Menschen dazu zu bringen, bei der schändlichen Verfolgung mitzumachen. Und diese Waffe war die Propaganda.

Was ist und wie funktioniert Propaganda?

Propaganda ist das bewusste Lenken von Gefühlen einer Vielzahl von Menschen um einen politischen Zweck zu erreichen. Propaganda wirkt durch Ideen, die in allen möglichen Medien verbreitet werden, vorrangig aber in Form direkter Rede.

Propaganda-Reden bedienen sich manchmal kluger Argumente, ergänzen diese aber an entscheidenden Stellen durch krude Verdächtigungen, die nur zum Schein wie Argumente klingen und rhetorische Mittel, die ihre Wirkung – die Täuschung – nicht verfehlen. Es entsteht der Eindruck einer inhaltlich überzeugenden Darstellung. In Wirklichkeit hat der Redner durch geschickten Einsatz von Gefühlsrührungen nur manipuliert. Er hat die Gedanken seiner gläubigen Hörer in eine Richtung gelenkt, die ihm nützlich schien, hat sie motiviert, etwas zu tun, woran diese vorher noch nie gedacht haben. Was am Ende der Rede als Handlungsimpuls herauskommt, kann das genaue Gegenteil einer vernünftigen Tat sein, sogar das genaue Gegenteil dessen, was die Hörer kurz vorher noch tun wollten.

Rhetorik a la Shakespeare

Ein berühmtes Beispiel gibt uns Shakespeare: Sein Marc Anton in dem Drama Julius Cäsar hält nach der Ermordung seines politischen Förderers Cäsar eine Rede. Das Volk poltert gegen Cäsar, den einstigen Herrscher. Die Vorredner und Mörder haben bereits deutlich das Bild eines Tyrannen gezeichnet. Es geht um die Nachfolge. Um Macht. Für Marc Anton wäre es besser, wenn er die Meinung der Mehrheit umdrehen könnte. Also stellt er sich auf den Marktplatz, wo sich alle versammelt haben und ruft: Friends, Romans, Countrymen, lend me your ears...

Wie Marc Anton weiter macht ist spektakulär: Er tut so, als sei er auch gegen Cäsar! Und zwar, damit das Volk ihm überhaupt zuhört. Hätte er sich gleich als Cäsar-Freund gezeigt, wäre er wahrscheinlich ausgebuht und von der Rednerposition vertrieben worden. Stattdessen bedient er sich einer captatio benevolentiae, das heißt, er sagt den Menschen erst einmal das, was diese hören wollen. Zweifel sät er erst nach und nach und dreht damit alle um.

Wann wird Rhetorik gefährlich

Rhetorik wie die von Marc Anton ist an sich nichts schlechtes, sondern nur ein Instrument. Man kann damit vernünftige Gedanken transportieren, Gedanken die für sich allein zu trocken und vielleicht auch zu schwierig wären, so dass kaum jemand folgen könnte. Rhetorik kann ein Gewürz sein, dass eine schwere aber gesunde Kost verdaulich und schmackhaft macht. Gefährlich wird Rhetorik aber dann, wenn sie verschleiert, dass sie überhaupt keine vernünftige Gedanken schmückt, sondern einen unausgegorenen Brei wirrer Hetzen, wenn sie keine schlüssige Argumentation transportiert, sondern eine verschrobene Meinung, wenn sie einen Handlungsimpuls setzt, der nicht allen dient, sondern nur dem, der die Rhetorik benutzt. Dann ist Rhetorik verwerflich und dann ist sie Propaganda.

In einer schweren Wirtschaftskrise haben viele Menschen Angst, ihren Wohlstand zu verlieren oder ökonomisch unter die Räder zu kommen. Die moderne Welt ist komplex, aber die Angst will eine einfache Lösung, an der sich jeder orientieren kann. Die Menschen fühlen sich allein und wollen Zugehörigkeit fühlen, gemeinsam einen Weg gehen. Sie sind bereit etwas zu tun, um aus der Krise wieder heraus zu kommen. Treten jetzt Hetzer auf und schieben die Schuld für die missliche Lage immer wieder einer bestimmten Menschengruppe zu, entstehen Hass und die Bereitschaft, diese Menschen zu verfolgen und zu bekämpfen.

Wir gegen die Anderen. Diese einfache Botschaft ist am leichtesten zu vermitteln. Darauf sind unsere Gehirne ausgelegt, seit wir als Urmenschen über die Länder zogen. Wir gut, die anderen böse.

Im dritten Reich war die Stereotypie: Juden mit ihrem Finanzkapital gegen einfache „Arbeiter“. Parasiten befallen die Schaffenden. Das Krumme gegen das Gerade.

Das Regime, das diesen Unsinn verbreitet hat, ist zum Glück nach kurzer Zeit untergegangen. Aber Propaganda gegen Mitmenschen und das Schüren von Hass gedeihen auch heute noch mitten unter uns. Glücklicherweise leben wir jetzt in einem Rechtsstaat, der dem Hass und unserer Leichtgläubigkeit Grenzen setzt durch Gesetze und Gerichte. Aber wir müssen sehr aufpassen, dass das so bleibt. Im Umfeld des G20-Gipfels in Hamburg haben wir gerade erst gesehen, zu was Hass führen kann, wenn er nicht eingedämmt wird. Da tobte der Mob und richtete sich gegen alles, was gerade da war. Und auch dort, wo Hass und Ablehnung erlaubt ist, richten sie unnötigen Schaden an. Sie rauben uns Energie und Toleranz. Wir sollten darauf achten, ob es sich lohnt, etwas – sei es auch nur geistig - zu bekämpfen, anstatt es anzunehmen.

Propaganda ist eine geistige Massenvernichtungswaffe

Der Holocaust ist so monströs, dass er nicht einfach so mit irgendetwas anderem verglichen werden kann. Er zeigt uns aber, zu was Propaganda fähig ist. Propaganda ist eine gefährliche Waffe, die gerade in zivilisierten Kulturen dazu benutzt werden kann, Menschen in unbegreiflichem Ausmaß gegeneinander aufzuhetzen. Deshalb müssen wir uns gegen Propaganda wehren. Wir müssen sie durchschauen und entlarven, wo immer wir können.

Propaganda heute

Heute gibt es Propaganda von links und von rechts, von oben und von unten, von radikalen und gemäßigten. Eine kluge und unabhängige Presse sollte jede Art von Propaganda aufdecken. Andererseits wird Propaganda gerade durch die Presse selbst verbreitet. Geschickte Propaganda ist von den Medien selbst nicht als solche zu erkennen.

Es ist nicht fair, wenn der Westen Russland Völkerrechtsbrüche vorwirft, über eine Serie von eigenen Völkerrechtsverletzungen aber nonchalant hinwegsieht. Es ist nicht fair, Sanktionen moralisch zu begründen, und von Bündnispartnern einzufordern, wenn in Wirklichkeit die kurzsichtige Interpretation eines wirtschaftlichen Interesses einer einzigen Nation (USA) dahintersteht.

Andererseits kann selbst die schlimmste Form von Propaganda, die Kriegshetze, positive Effekte haben, wenn man sich die Mobilmachung gegen das NS-Regime vor Augen hält. Ich verstehe noch zu wenig von der Welt um alles beurteilen zu können.

Propaganda dient dazu die Menschen zu lenken. Auch was ihre Konsumgewohnheiten anlangt. Das berühmte Buch von Edward Bernays, erschienen 1928, gibt unverhohlene Tipps, wie so etwas am effektivsten gestaltet werden kann.

Ein harmloses Beispiel aus der Konsumwelt

Ich benutze seit 10 Jahren keine Sonnencreme mehr und seit dieser Zeit habe ich noch nie einen Sonnenbrand gehabt, obwohl ich im Sommer ständig die Sonne aufsuche. Vorher, mit Sonnencreme, war das anders. Es ist viel gesünder, wenn man die Sonne auf natürliche Weise genießt. Nicht zu viel auf einmal, sondern im Einklang mit den Jahreszeiten. Ich lache über die Plakate am Strand, die eine vermeintliche "Bedrohung" erdichten, gegen die man sich "schützen" müsse. Das passende überflüssige Produkt ist direkt daneben abgebildet. Man will nicht werben, sondern zum Wohle der Menschen informieren. Effektiv: Niemand hinterfragt den allgemeinen Nutzen von Sonnencreme, weil durch "Studien" immer wieder ein isolierter Effekt nachgewiesen wird. In Wirklichkeit ist Sonnencreme ein Nischenprodukt für Bergsteiger oder Stubenhocker. Inzwischen habe ich auch Menschen mit sehr hellem Hauttyp (skandinavischer typ) davon überzeugt, vollständig auf Sonnencreme zu verzichten und es klappt seit Jahren. 

Propaganda ist eine Beleidigung des Menschen

Denn der Mensch ist mit Vernunft begabt. Deshalb sollte man mit ihm auch so sprechen. Das heißt, beide Seiten darstellen, Argumente für und wider diskutieren, sich der Begrenzung des eigenen Wissens bewusst sein und diese Unwissenheit eingestehen. Leider sehen wir sowohl in der Politik als auch in der Werbung das ständige Gegenteil: Menschen werden wie Unmündige behandelt. Man bildet sie nicht erst weiter (das geschieht wenn dann nur einseitig) und schlägt ihnen dann eine Entscheidung vor, sondern man entscheidet und verkauft anschließend diese Entscheidung mit manipulativen Mitteln, oder schwatzt ihnen eine gefärbte Weltsicht auf. 

Was können wir tun?

Kritisch hinterfragen. Immer wieder und alles. Auch die Dinge an die wir nie zuvor gedacht haben. Was ist überhaupt das Völkerrecht? Sind "die Reichen",  "die USA" oder "die Russen" wirklich eine homogene Gruppe? Weiß ich überhaupt genug über das Thema, um es beurteilen zu können? Gibt es auch andere Meinungen? (Wenn nein, muss ich vielleicht erst recht danach fragen?) Ist das, was als Propaganda bezeichnet wird, nicht vielleicht eine plausible Gegenmeinung?

Andererseits: Vertrauen. Denn nicht alles ist Propaganda. Ohne Vertrauen geht Zusammenleben nicht.

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